Das Kreuz über dem Altar in der Erlöserkirche in Gmund wurde von Karl Hemmeter geschaffen. Von ihm stammt auch das Kreuz in der Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin.
In Gmund hat Karl Hemmeter verstärkt den sterbenden Jesus dargestellt, den verlassenen und ohnmächtigen Sohn Gottes. Doch zugleich geht von dieser Figur ein Frieden aus: „Es ist vollbracht!“ (Johannes 19, 30) Mein Leben ist zum Ende gekommen, es ist vollendet. Nun kehre ich heim in den Frieden Gottes.
Das Kreuz in Berlin ist später geschaffen worden als das in Gmund. In Berlin liegt die Betonung auf dem auferstandenen, triumphierenden und segnenden Christus.
In der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hat Karl Hemmeter Christus anders dargestellt als in Gmund. In Berlin ist Christus nicht als Gekreuzigter dargestellt, sondern als König des Himmels, der seine Arme über sein Volk ausbreitet. Seine Gestalt schimmert golden vor dem strahlenden Blau der Glassteine, die die Altarwand bilden. Dieser Christus ist kein Geschlagener, Verlassener, Gequälter. Er ist die handgreiflich gewordene Zusage, die wir im Lied vom Gottesknecht hören: „Doch der Herr fand Gefallen an seinem geschlagenen Knecht, er rettete den, der sein Leben als Sühnopfer hingab.“ (Jesaja 53,10) Nur die deutlichen Nagelwunden und die im Tod geschlossenen Augen erinnern an die Stunden voller Angst, Schmerz und Hingabe am Kreuz.
Die beiden Kreuzesdarstellungen machen deutlich, wie verschieden die Aussagen eines Kreuzes sein können: In Gmund eher die Ansicht von Karfreitag; in Berlin die Ansicht des neuen Lebens. Beides gehört zusammen. So stehen diese beiden Kreuze des einen Künstlers in enger Verbindung miteinander.
Das Werk des Bildhauers Karl Hemmeter
Empfindungen des Menschen zum Ausdruck bringen – ein Beitrag von Alexandra Korimorth aus Gmund:
Die Berliner Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche am Kurfürstendamm und die Gmunder Erlöserkirche haben eines gemeinsam:
In beiden Kirchen wurden Darstellungen des gekreuzten Christus vom Münchner Bildhauer
Karl Hemmeter geschaffen.
Nicht nur in Berlin und Gmund stehen Werke von Karl Hemmeter, sondern auch in München, Nürnberg, Würzburg, Weißenburg, Stuttgart, Pappenheim, Schwerte, Wuppertal ... Die Liste der Kirchen, evangelische wie katholische, in der Hemmeters Werke zu finden sind, ist lang, denn der Wahlmünchner war produktiv und von ungeheuer großer Schaffenskraft. So groß, dass in dem einzigen Buch, das zu Hemmeters Leben und Werk veröffentlicht wurde (Der Bildhauer Karl Hemmeter. Aus seinem Werk, München, Callway, 1986), nicht einmal alle seine Werke aufgelistet werden konnten. Der Gmunder Christus beispielsweise, aus den frühen 50er Jahren fehlt dort bedauerlicherweise. Hemmeter selbst zeigte sich bescheiden: „Meine Christusgestaltung muss dem Zeitgeist der Mitte des 20. Jahrhunderts entsprochen haben. Weshalb wäre ich sonst mit kirchlichen Aufgaben beider Konfessionen so überhäuft worden? Mein Bemühen um das Tiefenrelief wird anerkannt.“ Dabei hätte der Bildhauer, als er im Februar 1986 zur Veröffentlichung „seines“ Buches Resümee zog, voll Stolz sein können. Doch das entsprach nicht seiner Natur.
Am 18. Februar 1904 wurde Karl Hemmeter in Weißenburg als zweiter Sohn in ein streng evangelisches, aber auch sehr armes Elternhaus geboren. Bereits im ersten Lebensjahr erkrankte er an Rachitis und litt in Folge dessen unter beidseitiger Hüftluxation, welche ihm erst mit drei Jahren ein hinkendes Gehen erlaubte. Schon sehr früh strebte Hemmeter, inspiriert durch die Tätigkeit des Vaters als Drechsler, nach künstlerischer Ausbildung. Doch die Umstände zwangen den damals 15jährigen zu einer Lehre in der väterlichen Werkstatt. Erst 1924 durfte Hemmeter an der Nürnberger Kunstgewerbeschule hospitieren. Schon im Herbst 1926 wechselte er, nach erfolgreich bestandener Aufnahmeprüfung, an die Münchner Akademie und konnte das Studium dort dank der Unterstützung von Freunden und seiner Vaterstadt erfolgreich abschließen.
Einer der ersten großen Aufträge war ein lebensgroßer Kruzifixus für St. Andreas in Weißenburg sowie der Kruzifixus im Evangelischen Landeskirchenamt in München, der ihn bayernweit in kirchlichen Kreisen bekannt machte. Es folgten daher zahlreiche, meist kirchliche Aufträge. Mit dem beruflichen Erfolg ging die private Konsolidierung einher: Karl Hemmeter heiratete 1934 Els Endl, ließ sich in Großhadern im eigenen Haus nieder und wurde Vater von vier Kindern.
Hemmeter arbeitete mit Holz, Stein und Bronze; er schuf Plastiken, Tiefenreliefs, Holzstiche, Lesepulte, Portraits (z.B. für die Familie Schickedanz), Grabmäler, Brunnen, Bauplastiken und Denkmäler. Hierzu schrieb Hemmeter: „Die beständigen Anstrengungen hatten mich gekräftigt, und 1932 machte ich mich selbständig.“ Das künstlerische, kreative Schaffen, das mit großer physischer Anstrengung einhergeht, schien für Hemmeter eine selbstverordnete Therapie gegen seine körperliche Behinderung zu sein. Karl Bauer, der das Vorwort zum Hemmeter-Buch schrieb, formulierte es so: „Charakterprägend für die Persönlichkeit des Bildhauers war auch sein Schicksal. Seit früher Kindheit von einem ihn körperlich behindernden Leiden geprüft, sucht er in schweren Stunden Ausgleich und formt in Figur und Ausdruck des Leidens anderer sich selbst." Darüber hinaus spricht Bauer auch von Hemmeters „Selbstüberwindung“. Und wirklich: die sakralen Werke Hemmeters zeigen menschliches Leiden – doch nicht Schmerz verzerrt und entstellend, sondern sich mit innerer Größe ergebend. Dies mag an den (meist) geschlossenen Augen der Dargestellten liegen, an den übergroßen Händen oder ihrer Körperhaltung. Hemmeter selbst stellte klar: „Ich deformierte den Menschen nicht, sondern wollte seine Empfindungen zum Ausdruck bringen.“ Dies tat er auf eine sehr zurückhaltende Art und Weise. Wäre Hemmeter Maler gewesen, würde man sagen, dass er mit nur wenigen Pinselstrichen gezielt eine tiefgehende Wirkung erzeugte; Hemmeters Figuren sind von einer ergreifenden Schlichtheit und dadurch zeitlos. Für den Künstler bedingten der Stein, der Holzklotz oder die Bohle die Form der Figur, die er daraus freilegte. Und natürlich sind in seinem Werk auch seine Familie, die Liebe, Kinder und die Musik zu finden.
Der gefragte Bildhauer erhielt diverse Stipendien und Auszeichnungen, im Juni 1954 beispielsweise den Kulturpreis der Stadt Nürnberg. Karl Bauer schreibt zu Hemmeters Werk: „Jede neue Begegnung mit dem Schaffen eines Bildhauers kann zum Erlebnis werden, je stärker man empfindet, dass das Formen des Bildhauers der Natur seines Menschseins verbunden ist, und das nicht gewandte Artistik, sondern allein, das So-und-nicht-anders-sein-können Themen und Formen der Bildhauerarbeit bestimmen. Das gilt auch für Karl Hemmeter ...“, dessen Werk es rund 20 Jahre nach seinem Tod – er verstarb am 6. August 1986 – neu zu entdecken gilt.